(Predigttext: Mt 20,1-16a)

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde!

Leistung bringt Anerkennung.

Das erfahren viele schon als Kinder und Jugendliche, wenn es in der Schule darum geht, gute Noten zu schreiben. Kinder werden dazu von ihren Eltern und Großeltern motiviert, indem gute Noten belohnt werden, sei es mit Taschengeld oder kleinen Geschenken.

Später kann dann die Erfahrung motivieren, dass nur wer einen guten Schulabschluss vorweisen kann, Chancen auf einen Arbeitsplatz hat.
Das kann motivieren. Aber das kann auch gerade das Gegenteil bewirken: Jugendliche resignieren, verfallen in die berühmte Null-Bock-Stimmung. Ich schaffe das ja doch nicht. Ich habe es nur auf die Hauptschule geschafft. Warum soll ich mich noch anstrengen? Hat doch sowieso keinen Sinn.

Leistung bringt Anerkennung.

Und was ist mit denen, die nicht soviel leisten können? Die schwächer sind als andere? Weniger intelligent und weniger strebsam?

Matthäus berichtet über ein Gleichnis, das Jesus einst erzählt hat.

Ein Weinbergbesitzer geht auf den Markt, um Tagelöhner zu finden für die Arbeit in seinem Weinberg. Er vereinbart mit ihnen einen Lohn, der weder übertrieben hoch noch zu knapp ist: einen Silbergroschen. Das reichte damals, um sich das Nötige zum Leben zu kaufen.

Da aber mehr als genug Arbeit da ist, geht der Weinbergbesitzer noch mehre Male auf den Markt zu den Arbeitssuchenden. Er stellt noch einige mehr ein, zu unterschiedlichen Zeiten des Tages, so dass die Letzten nur noch eine Stunde arbeiten müssen.

Am Abend wird dann allen der Lohn ausgezahlt, wie es eben in der damaligen Arbeitswelt üblich war.

Der Verwalter beginnt bei denen, die als letztes angefangen haben zu arbeiten. Jeder von ihnen bekommt einen Silbergroschen. Genauso alle anderen, die im Laufe des Tages mit der Arbeit begonnen haben.

Zuletzt sind die dran, die den ganzen Tag im Weinberg gearbeitet haben. Diese denken nun, sie würden mehr bekommen, gemessen an ihrer Arbeitszeit. Stundenlohn eben. Aber auch sie empfangen jeder einen Silbergroschen.

„Und als sie den empfingen, murrten sie gegen den Hausherrn und sprachen: Diese letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und Hitze getragen haben.
Er antwortete aber und sagte zu einem von ihnen: Mein Freund, ich tu dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir einig geworden über einen Silbergroschen?
Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber diesem letzten dasselbe geben wie dir.
Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du scheel drein, weil ich so gütig bin?“

Das ist doch ungerecht.

Alle bekommen das gleiche, obwohl die einen viel mehr gearbeitet haben als die anderen. Das, wofür die einen schwer schuften mussten, ist für die anderen leicht verdientes Geld. Ein merkwürdiger Mensch, dieser Hausherr.

Er belohnt nicht die gute Leistung mit mehr Geld, sondern entlohnt alle gleich. Er gibt allen Arbeitern das, was sie zum Leben brauchen. Unabhängig davon, wie viel sie gearbeitet haben. Nur deswegen, weil sie eben da sind.

Er macht das Lebensnotwenige nicht von der Leistung eines Menschen abhängig.

Und deswegen ist am Ende des Gleichnisses auch nicht von Gerechtigkeit, sondern von Güte die Rede.

Der Hausherr tut das, was gut für die Menschen ist.

Zum einen bietet er Verlässlichkeit, indem er sein Wort hält. Er hat jedem den Lohn von einem Silbergroschen versprochen. Daran hält er sich. Sein Versprechen gilt.

Zum anderen stellt er sich dem üblichen Gesellschaftsschema entgegen, indem er Lohn eben nicht von Leistung abhängig macht, sondern davon, was ein Mensch braucht. Das, was seine Arbeiter brauchen, gibt er ihnen, nicht mehr und nicht weniger. Ohne Unterschied der Person.

Jesus erzählt dieses Gleichnis, um zu zeigen, wie es im Himmelreich zugeht. Da gibt es mehr als Menschen verdienen. Da gibt es das, was zum Leben gebraucht wird. Gerecht im Sinne von Lohngerechtigkeit ist das nicht. Das ist nicht verteilt nach dem Grundsatz „jedem das Seine“, nach der gemessenen Leistung, sondern da wird verteilt nach der Regel: „jedem das, was er braucht“.

Das ist nicht gerecht im Sinne weltlicher Gerechtigkeit. Aber Gott ist mit seiner Güte im Recht.

Die Sehnsucht nach diesem Ort, nach dem Ort, an dem die Güte regiert, steht Versagensängsten entgegen.

Ich brauche einen Ort, der Zuflucht ist, und mein Leben nicht nach Leistung misst.

Eine Mutter kümmert sich seit vielen Jahren um ihr behindertes Kind. Gegen alle Widerstände hat sie es stets bei sich zu Hause behalten.

„Du machst dich damit doch kaputt“, und: „Bedenke doch mal, was du in deinem eigenen Leben alles verpasst.“ So hat sie es von vielen Bekannten gehört. „Warum tust du dir das an? Dein Kind wird dich doch nie stolz machen können.“

Wenn die Mutter solche Sätze hört, wird sie sehr ärgerlich und auch traurig.  Wie können andere das überhaupt beurteilen? Sie liebt ihr Kind und will für es das Beste, wie das bei jeder Mutter ist. Und diese Liebe ist doch gerade nicht abhängig davon, was ihr Kind kann und leistet.

Die Mutter liebt ihr Kind, weil es lebt. Weil es da ist und so ihr Leben jeden Tag bereichert, mit fröhlichen Worten, mit einem Lächeln.

Das Kind wird nie alleine laufen, geschweige denn arbeiten können. Aber darum geht es auch gar nicht. Die Mutterliebe steht darüber.

Ich bewundere diese Mutter dafür, dass sie ihrem Kind einen Ort der bedingungslosen Liebe bietet.

Ich brauche einen Ort, der Zuflucht ist, und mein Leben nicht nach Leistung misst.

Wir alle brauchen so einen Ort. Sonst würden wir an dem Druck, der im alltäglichen Leben auf uns lastet, kaputt gehen. In einer Gesellschaft, die den Anschein erweckt, nach den Prinzipien: immer mehr, immer größer und immer schneller zu funktionieren, muss Raum für Orte des Kleinen, Langsamen und Geborgenen bleiben.

Orte, an denen ich sein kann, an denen ich geliebt werde, weil ich bin, nicht weil ich Leistung bringe.

Gott will mich früh umhüllen mit seinem Wort und Licht, verheißen und erfüllen, damit mir nichts gebricht; will vollen Lohn mir zahlen, fragt nicht, ob ich versag. Sein Wort will helle strahlen, wie dunkel auch der Tag.

Gott rechnet nicht. Er rechnet mir nicht vor, was ich alles getan oder nicht getan habe. Am Ende meines Lebens wird keine große Abrechnung stehen. Davor könnte auch gar kein Mensch bestehen. Da würde viel zu viel auf den Tisch kommen. All die kleinen Fehler, die wir Menschen eben haben. Die Unzulänglichkeiten und Schwächen.

Wir könnten es Gott gar nicht recht machen, aber trotzdem sind wir ihm recht.

In der Taufe hat Gott es jedem von uns einst zugesagt: Du bist mein geliebter Sohn. Du bist meine geliebte Tochter. Ich will dich lieben und stets mit offenen Armen empfangen. Dieses Versprechen gilt.

Und dieses Versprechen geht allem voraus, was wir tun können.

Bedingungslose Anerkennung.

Das ist der Ausgangspunkt. Wenn ich diese Anerkennung immer wieder erfahre, gehe ich mit Leistungsdruck und möglichem Versagen ganz anders um.

In dem Vertrauen, dass es einen Ort gibt, an dem ich deswegen geliebt werde, weil ich bin, blicke ich fröhlich in die Zukunft. Auch dann, wenn ich keine Höchstleistungen vollbringe, wenn ich an Aufgaben scheitere, bleibe ich im Inneren meiner Person zuversichtlich.

Denn: Ich habe einen Ort, der immer wieder Zuflucht ist, und mein Leben nicht nach Leistung misst.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.