(Predigttext: Apg 16,9-15)

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde!

Im Hintergrund Indianergeheul. Eine Polizeisirene. Kinderlachen.
„Setzen wir uns doch hier an dien Tisch. Da ist es etwas ruhiger, und Marlon kann uns trotzdem sehen. Er scheint sich schon angefreundet zu haben.“

„Ja, Louis kennt er aus der Eltern-Kind-Gruppe.“
„Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Ein Wasser vielleicht oder einen Kaffee?“
„Oh ja, Kaffee wäre gut. Ich bin heute Morgen schon richtig durchgefroren.“
„Kein Wunder bei dem Wetter. Mit Milch und Zucker?“
„Nur Milch, bitte.“
„Einen Moment, ich bin gleich wieder bei Ihnen.“

Während die Erzieherin in Richtung Küche verschwindet, schaut Doris sich von ihrem Platz aus weiter im Kindergarten um. Kleine Stühlchen und runde Tische. Hell und freundlich ist alles. Durch die offene Tür sieht Doris den Schreibtisch der Kindergarten-Leiterin. Darüber hängt ein Kalender. Gleich daneben ein buntes Holzkreuz. Darunter ein Bild in Knallfarben: Jungen und Mädchen fassen sich an den Händen. Fröhlich sehen sie aus. In der oberen linken Ecke ein Spruch: „Jesus sagt: Lasset die Kinder zu mir kommen.“

„Klar, dass die hier sowas haben“, denkt Doris, „das ist ja ein kirchlicher Kindergarten.“ Dabei hatte das für Micha und sie gar keine Rolle gespielt. Dies war einfach der Kindergarten, der für sie am besten zu erreichen war und die passenden Öffnungszeiten hatte. Und Louis’ Papa hatte gesagt: „Das ist gut da. Wenn ihr noch einen Platz kriegt, solltet ihr Marlon unbedingt anmelden.“

Und dazu war sie nun hier. Ob die hier wohl den ganzen Tag in der Bibel lesen und beten? Und ob Marlon dann mies auffällt? Der weiß doch gar nicht, wie das geht. Woher auch. Kirche, Bibel, Jesus – bisher hatte das in ihrem Leben keine Rolle gespielt.

Zufällig landet Doris mit ihrem Sohn in einem kirchlichen Kindergarten. Das kann zu einer ersten Begegnung mit Kirche, Bibel und Jesus werden. Marlon kennt kein Gute-Nacht-Gebet, keine kirchlichen Kinderlieder, ihm wurde nie aus der Kinderbibel vorgelesen. Heute eher normal als außergewöhnlich. Bei vielen Eltern wachsende Verunsicherung: Wie geht das mit dem Beten? Mit der Bibel? Brauche ich das überhaupt?

Ich denke, es ist auf jeden Fall gut für Kinder zu erfahren: Mein Leben ist kein Zufall, sondern das Geschenk Gottes, der es gut mit mir meint. Ich bin nicht allein, sondern Gott ist immer bei mir. Er behütet mich. Und er bleibt auch bei mir, wenn das Leben mal nicht so läuft.

Dieser Glaube macht Kinder stark für das Leben. Das tut einfach gut.

Für Doris spielt diese Art und Weise, dem Leben zu vertrauen, bisher keine Rolle. Sie hat das nie kennengelernt.

Vom Glauben muss erzählt werden. Genau so ist die Bibel entstanden. Menschen haben davon erzählt, was sie glauben. Was ihnen wichtig ist und ihren Glauben stärkt. Sogenannte Glaubenszeugnisse wurden da über Jahrzehnte weitergegeben und später aufgeschrieben, damit auch spätere Generationen davon erfahren.

Wir hören vom Glauben anderer Menschen. Wir lernen die Erzählungen kennen, die in der Bibel aufgeschrieben wurden. Das heißt dann noch nicht, dass wir den Glauben als festes Hab und Gut für immer besitzen. Glaube, Gottvertrauen ist kein Besitz.

Aber Glaube kann wachsen.

„Der Glaube kommt aus dem Hören auf Gottes Wort“, hat Martin Luther einst gesagt. Das Wort Gottes begegnet uns in der Bibel.

Also: Bibel nehmen, aufschlagen, draufloslesen und mein Glaube wächst? Schwierig. Funktioniert nicht wirklich.

Beim letzten Konfer haben wir über die Bibel gesprochen. Die Bibel ist ein Buch mit vielen Seiten. Und: Kann man die wirklich komplett lesen, ist das nicht langweilig?

Ja, einiges sicherlich. In der Bibel ist nicht alles gleichermaßen interessant und ich denke, es trägt auch nicht alles dazu bei, dass mein Glaube wächst. Da stehen auch historische Berichte, Geschlechtsregister, lange Gesetzestexte und Vorschriften und sogar Fantasy drin. Eben nicht nur ein Buch, sondern eine Bibliothek aus 66 einzelnen Schriften.

Manches ist für uns da natürlich sehr fremd, die Bibel ist eben auch ein Geschichtsbuch und bei einigen Texten denke ich auch immer mal wieder: das steht da wirklich drin? Im Alten Testament gibt es einen kurzen Abschnitt, der eher an den Herrn der Ringe erinnert als mit Glauben zu tun hat:

„Als aber die Menschen sich zu mehren begannen auf Erden und ihnen Töchter geboren wurden, da sahen die Gottessöhne, wie schön die Töchter der Menschen waren, und nahmen sich zu Frauen, welche sie wollten. Da sprach der Herr: Mein Geist soll nicht immerdar im Menschen walten, denn auch der Mensch ist Fleisch. Ich will ihm als Lebenszeit geben hundertundzwanzig Jahre. Zu der Zeit und auch später noch, als die Gottessöhne zu den Töchtern der Menschen eingingen und sie ihnen Kinder gebaren, wurden daraus die Riesen auf Erden. Das sind die Helden der Vorzeit, die hochberühmten.“

Ich gebe zu, ein Text, der so fantastisch anmutet, dass mich frage, wie daraus der Glaube wachsen soll.

Aber trotzdem: Es lohnt in der Bibel zu lesen. Denn in erster Linie finden sich in der Bibel Glaubenszeugnisse der unterschiedlichsten Menschen. Menschen wie David, sehr musikalisch und sehr fromm, der hat wirklich schöne Gebete geschrieben, die obwohl sie sehr alt sind, trotzdem in unser Leben passen: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue. Er erquicket meine Seele.“ Oder: „Ich danke dir, dass ich wunderbar gemacht bin, wunderbar sind deine Werke, dass erkennt meine Seele.“

Ein anderer Mensch, Hiob. Fast an seinem Glauben verzweifelt, er hat Gott regelrecht angeklagt. Auch das Texte, die heute helfen können. Gerade, wenn die Frage „Warum?“ übermächtig wird. Und dann ein Wort wie: „Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“

Im Neuen Testament dann Matthäus, der die Predigten Jesu aufgeschrieben hat: „Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.“ Oder: „Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt.“

Das alles sind Worte, aus denen mein Glaube wachsen kann. Das tut gut, solche Worte zu lesen, weil sie mich dessen vergewissern, dass Gott bei mir ist.

Also: Es lohnt auf jeden Fall, in der Bibel zu lesen. Die Geschichten der Bibel vorzulesen und erzählt bekommen.

Ob das Wort Gottes unser Innerstes erreicht, liegt nicht in unserer Hand. Das ist Geschenk: Gott öffnet das Herz. Dass wir achtsam werden für das, was er uns sagen will.

Und Doris?
Der Kaffee war stark und heiß. Die Anmeldung hat sie mittlerweile ausgefüllt.

Bleibt noch die Frage: „Wie machen Sie denn das hier mit dem Beten und so? Marlon hat da bisher nicht so viel damit zu tun gehabt ...“

„Natürlich machen wir den Kindern auch religiöse Angebote. Aber das kann Louis dem Marlon alles zeigen. Der ist ja schon etwas länger hier.“

„Also, haben Sie da für mich auch mal ein Buch? Nur damit ich das verstehe.“

„Ich kann Ihnen da gerne mal was heraussuchen. Oder Sie fragen Marlon. Der kann Ihnen bestimmt bald das eine oder andere erzählen.“

„Na, dann ist es ja gut.“
„Ja, das ist es.“

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.