(Predigttext: Jes 58,1-9a)

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde!

Karneval ist eine Zeit, wo man verrückt sein darf. Man darf laut lachen und singen, ohne dass einen jemand schief anguckt.

Man darf sich eine rote Nase aufsetzen oder einen riesigen Hut und niemand schüttelt den Kopf.

Man darf so tun, als sei man eine spanische Tangotänzerin oder ein Pirat und andere staunen anerkennend.

Das tut gut. Dann manchmal würden wir ja gerne aus unserer Haut hinaustreten. Ein wenig hübscher sein oder interessanter. Oder auch gefährlicher und respekteinflößender.

Wir wollen eine andere Seite von uns sehen lassen, die wir sonst nicht zu zeigen wagen.

Wir wollen nicht von den anderen so behandelt werden, als würden sie uns schon längst kennen. Ach, die Frau Müller ist immer ängstlich und Frau Schulze meckert sowieso nur rum; der Herr Adam macht dumme Sprüche und die Frau Günther ist so nett, um die muss man sich nicht besonders kümmern.

Dabei sind wir doch vielleicht auch anders. Und hatten nur so selten Gelegenheit dazu. Oder niemand hat uns dazu Mut gemacht. Oder wir hatten das Gefühl, nur wenn wir uns so nett benehmen, werden wir gemocht; oder wenn wir uns so frech verhalten, werden wir wenigstens wahrgenommen.

Eigentlich bin ich ganz anders – ich komme nur so selten dazu.

Manchmal träumen wir davon, jemand anders zu sein: der mutige Ritter, der eine Prinzessin befreit und belohnt wird; das arme Mädchen, das von einem Prinzen entdeckt und wegen seines netten Wesens auserwählt wird, Königin zu werden; das zurückgesetzte jüngste Geschwisterkind, das endlich beweisen kann, dass es in Wirklichkeit das beste Kind von allen ist ...

Wir wünschen uns, so sein zu können, wie wir gerne wären. Und wir wünschen uns, so geliebt zu werden, wie wir wirklich sind. Aber es gibt wenige Menschen, die uns so kennen und lieben. Und, ehrlich gesagt, wissen wir es ja von uns selber auch nicht so genau, und wir mögen uns selber ja auch nicht unbedingt so, wie wir sind.

Haben Sie schon mal ein Chamäleon gesehen?

Es sieht aus wie ein Drache oder Saurier in Miniausgabe. Seine normale Farbe kann man vielleicht am ehesten mit Grau-Grün-Braun beschreiben. Aber das Tolle an so einem Chamäleon ist, dass es seine Farbe ändern kann. Kommt es zum Beispiel in eine Umgebung, die überwiegend grün ist, dann wird auch das Chamäleon grün. Auf einem Sandboden bekommt es die rötliche oder gelbliche Farbe des Sandes. Auf brauner Erde wird es braun.

Das Chamäleon macht das nicht, weil es Spaß daran hat, sich zu verkleiden, sondern diese Möglichkeit, die Farbe zu wechseln, hilft dem Chamäleon, sich zu verstecken.

Wenn es genauso aussieht, wie der Hintergrund, auf dem es sitzt, dann sieht man es nicht so leicht und dann kann auch ein Tier, dem das Chamäleon vielleicht schmecken würde, es nicht so leicht finden und fressen.

Wir Menschen können die Farbe nicht wechseln – außer, wir holen uns einen kräftigen Sonnenbrand, oder wir werden mal ganz blass vor lauter Schreck. Aber wir Menschen verstecken uns auch. Wir versuchen auch manchmal, möglichst wenig aufzufallen, oder wollen genauso sein und aussehen, wie alle anderen.

Ich denke, Ihr kennt das aus der Schule. Da muss es dann eben die Hose oder Jacke sein, die gerade In ist und die alle haben. Dann gehört ihr dazu. Oder die Meinung des Coolsten in der Klasse wird unterstützt, auch wenn ihr eigentlich anders denkt. Nicht auffallen, die Klappe halten mit dem Strom schwimmen. Das ist sicherer, bequemer, nicht so anstrengend.

Farbe bekennen dagegen, anders sein als die anderen, das ist riskant und anstrengend. Und noch schwieriger ist es, allein zu widersprechen oder nicht mitzumachen, wenn alle anderen etwas Falsches machen. Da muss man schon sehr mutig sein.

Auf der Karte, die Sie bekommen haben, sehen Sie ein Chamäleon. Eines, das sich nicht versteckt. Eines, das sich nicht bis zur Unkenntlichkeit an die Farbe und das Muster seiner Umgebung angeglichen hat, sondern das sich zeigt. Ja, mit seiner gelbgrünen Farbe sticht es sogar richtig ab von dem türkis gemusterten Hintergrund. Und die farbigen Kreise, die das Chamäleon wie bunte Seifenblasen umgeben, lassen ahnen, dass es noch eine ganze Menge anderer Ideen und Varianten auf Lager hätte, sich zu zeigen. Es sieht ganz so aus, als würde ihm das Spaß machen. Jedenfalls hat es ein Lächeln im Gesicht, als ob es genau wüsste: Ich kann mich sehen lassen.

Du kannst dich sehen lassen! Das ist eigener Wunsch und Aufforderung zugleich.

Du kannst dich so sehen lassen wie du bist. Du musst dich nicht verkleiden. Du brauchst nicht die coole Jacke oder die In-Jeans, du brauchst kein perfektes Styling. Du bist du und das ist auch gut so.

Natürlich fällt das im Alltag oft schwer. Da ist es einfacher, die perfekte Fassade aufrecht zu erhalten. Besonders wenn wir meinen, dass wir das dahinter den anderen nicht zumuten können. Muss ja keiner wissen, wie es in mir aussieht. Lieber nach außen hin fröhlich als den anderen mit meinen Problemen zu belasten. Lieber angepasst als auffallen.

Und doch ist eines wichtig: Gott kennt und liebt uns so, wie wir sind. Er kennt unsere Stärken und Schwächen. Er wünscht sich, wir würden all das entwickeln können, was er in uns gelegt hat. Er sieht auch die Hindernisse und die Schwächen und lässt uns trotzdem nicht fallen.

Beim Erwachsenwerden und beim Erwachsensein haben wir oft Lust, uns loszusagen von dem beobachtenden Gott. So wie wir auch den Augen und den Ratschlägen der Eltern entwischen wollen, um unsere Freiheit zu finden. Das ist auch eine Zeitlang wichtig. Sonst wissen wir wirklich nicht, ob wir nur machen, was wir gelernt haben, oder wir aus eigener Überzeugung handeln.

Aber irgendwann entdecken wir, dass wir eigentlich doch ganz gut finden, was unsere Eltern uns beigebracht haben. Und wir machen es im eigenen Leben und bei unseren Kindern ganz genauso.

So können wir es schließlich auch bei Gott entdecken. Irgendwann geht uns auf, dass kein Mensch so zuverlässig unser Begleiter bleibt wie er.

Vater und Mutter müssen wir loslassen. Gott bleibt unser Vater. Partner und Kinder verändern ihr Reden, verändern ihre Liebe. Gottes Liebe bleibt.

Du kannst dich sehen lassen. Verzichte auf falsche Gewissheiten. Sei du selbst.

„Das aber ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg! Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte.“

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

(Teile übernommen aus: Muntanjohl, F., So werden wir sein wie die Träumenden. Symbol-Gottesdienste zu den schönsten Psalmworten in einfacher Sprache, Gütersloh 2011 und: GottesdienstInstitut der Evang.-Luth. Kirche in Bayern, Du kannst dich sehen lassen!)