(Predigttext: Lk 22,31-34)

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde!

Unendlich weiter Weg.
Ich stehe ganz am Anfang. Was vor mir liegt, kann ich nicht erkennen. Aber ich weiß, dass ich weitergehen muss. Einen Fuß vor den anderen setzen. Langsam, Schritt für Schritt. Zurücklassen, was bisher war. Abschied vom Gewohnten. Aufbruch in ein unbekanntes Land.

Das fällt schwer und ist mühsam, eben weil ich nicht weiß, was mich erwartet.
Wendepunkte des Lebens.

Der Abschied von der Kindheit ist ein erster solcher Wendepunkt.
Die Geborgenheit bei den Eltern wird zurückgelassen. Jugendliche machen sich auf ihren eigenen Weg, beginnen eigene Entscheidungen zu treffen, lassen sich immer weniger verbieten.

Sie probieren Dinge aus, sind mehr mit Freunden zusammen als mit der Familie und finden so ein neues Selbstbewusstsein.

Wer bin ich eigentlich?
Was macht mich aus?
Was ist mein Weg?
Identitätsfragen. Rollenfindung.

Unmittelbar nachdem Jesus getauft wurde, ist von seiner Versuchung die Rede. Die Kraft des Geistes, heißt es, diese Kraft führt ihn in die Wüste.

Und Jesus wehrt sich nicht dagegen, obwohl er es besser haben könnte. Denn unmittelbar davor war aus dem Himmel zu hören: Dies ist mein Sohn, ihm gilt meine Liebe, ihn habe ich erwählt. Er ist meine ganze Freude.
Mehr Sicherheit als durch einen Ruf vom Himmel kann es nicht geben.

Aber auf diese Sicherheit verlässt sich Jesus nicht. Er könnte nun eigentlich zu den Menschen gehen. Ihnen verkünden, wer dieser Gott ist, und was sein Auftrag ist.
Losstürmen und die Welt verändern.
Stattdessen tut er etwas ganz anderes. Zieht sich von allem zurück.
Vor all seinen öffentlichen Auftritten geht Jesus in die Wüste. 40 Tage und 40 Nächte.
Die 40 beschreibt in der Bibel immer eine heilige Zeit.

40 Jahre war das Volk Israel unterwegs, als es aus Ägypten ins gelobte Land herausgeführt wurde.
40 Jahre waren die Israeliten in der Verbannung und mussten außerhalb ihres angestammten Landes leben.

40 Tage in der Wüste, das war für Jesus die Vorbereitung auf sein großes Wirken.
Kraft tanken, sich klar werden über seine Gedanken und seinen Auftrag. Dem neuen Weg innerlich Raum geben, ohne Ablenkung von außen. Das war Ziel dieser Zeit.
Eigentlich ein gutes Vorbild, das Jesus hier gibt.

Wir Menschen sind da oft anders. Ich will etwas Neues beginnen und gehe mit vollem Elan und höchster Aktivität an die Sache heran. Es soll los gehen, die Kraft der neuen Idee soll gleich eingesetzt werden.
Aktivismus und Aktionismus.

Aber dann bleibt keine Zeit mehr, um wirklich einmal darüber nachzudenken, wie dieser Weg aussehen kann, was er bedeutet, welche Auswirkungen er hat.
Erst mal machen. Alles andere wird sich zeigen.

Da wäre es gut, sich erstmal Zeit zu nehmen. Wüstenzeit, Zeit der Stille, um den vielen auf mich einstürmenden Gedanken einmal Raum zu geben, sich zu entfalten oder sich getrost zu verflüchtigen.

Stattdessen: dies noch machen, jenes noch vorbereiten, hierhin und dorthin. Schnell machen, damit das Nächste wieder beginnen kann.
Wo bleibt dann noch Raum, darüber nachzudenken, was wichtig ist? Was hilfreich ist?

Was wir selbst wollen, was unser ganz persönliches Leben ausmacht, findet dann keinen Raum mehr in unseren Gedanken. Und dabei ist stille Zeit eine ganz wichtige Zeit für uns Menschen und unser Leben. Gut für unser Selbstbewusstsein und unseren Glauben.

Die Fastenzeit, die am Aschermittwoch begonnen hat, lädt dazu ein, solch eine bewusste Zeit zu sein, in der unser Inneres Raum hat, sich zu entfalten.

Sicherlich hat das auch seine Kehrseite. Es kommen ja nicht nur gute Gedanken in uns hoch. Auch kritische Gedanken melden sich. Die innere Stimme stellt auch in Frage, macht schön aussehende Gedanken kaputt oder stellt Überlegungen in den Weg.

In der Versuchungsgeschichte Jesu ist es der Teufel, der am Ende plötzlich auftaucht, als Jesus ganz ausgehungert und schwach ist. Dreimal versucht er, Jesus von seinem Weg abzubringen.

Doch die vierzig Tage Ruhe, diese vierzig Tage der Konzentration und Vorbereitung auf seinen Weg, zeigen ihre Wirkung.

Der Versucher spricht die Möglichkeiten Jesu an: Du kannst doch alles. Mach aus diesen Steinen Brot.

Darauf antwortet Jesus mit der Gottesbeziehung. Er erinnert daran, was Gott für diese Welt will.

Jesus erinnert daran, dass nicht wir Menschen an erster Stelle stehen mit unseren Gedanken, Wünschen und Möglichkeiten, sondern eben die Wirklichkeit Gottes.

Wer nur auf seine Möglichkeiten schaut, der stellt sich selbst an die Stelle Gottes und verliert dabei die Grundlagen des Lebens aus dem Blick.

Es geht nicht immer darum, alles Machbare auch zu machen, sondern darauf zu schauen, was den Menschen dient. Es gilt auch einmal Nein zu sagen, auch wenn ein Ja möglich wäre.

Nun gut, wenn es denn um den Glauben geht, um Gottes Wort, dann bitte. Der Versucher gibt sich nicht geschlagen. Bitte, dann begeben wir uns an den Ort des Glaubens, in die Mitte des religiösen Denkens.

Oben auf die Zinne des Tempels führt er Jesus und zitiert ein Wort aus dem 91. Psalm: „Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben: Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.“

Darauf reagiert Jesus aus seiner Wüstenerfahrung heraus. Die Zeit der Ruhe hat ihn an den Punkt gebracht, wo er für sich erkannt hat, dass nicht der Mensch ganz oben steht. Da ist jemand, der höher ist und bedeutsamer. Der Mensch hat nicht das Recht, Gottes Wahrhaftigkeit auf die Probe zu stellen: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.

Glaube ist mehr. Der Glaube weiß um die Unverfügbarkeit Gottes.
Niemand kann Gott für sich vereinnahmen, auch der Sohn Gottes nicht.

Das heißt nicht, dass die Worte Gottes nicht tragen, doch sie tragen anders. Im Glauben sind wir durch sie getragen und dazu braucht es nicht den Beweis der Erfüllung bestimmter Worte, sondern das Vertrauen darauf, dass Gott uns hält, wo wir fallen.

Jesus sagt Nein, weil er dies vor Augen hat, weil er Gott in seiner Unverfügbarkeit anerkennt und gelten lässt.

Und diesen Glauben hält Jesus weiter durch.
Als letztes holt der Versucher die stärkste Trumpfkarte heraus. Er zeigt Jesus alle Reiche der Welt und verspricht, sie ihm zu geben.

Dazu sagt Jesus in aller Schärfe nein: Weg mit dir, Satan. Weg mit dir, du zerstörerische Kraft des Lebens, du kannst mir kein wirklich erfülltes Leben bieten. Das finde ich allein bei meinem Gott, bei der Liebe, die den Menschen sieht und nicht Macht will.

Der Anfang des Weges Jesu ist begleitet von der Versuchung, von den kritischen Gedanken, die den Weg des Glaubens in Frage stellen wollen.

Jesus widersteht diesen Gedanken, er sagt Nein zu all den Versuchungen, weil er den Weg des Glaubens als Weg des Heils erkannt hat.

Ganz anders Petrus. Lukas schreibt die folgenden Zeilen über ein Gespräch Jesu mit Petrus:

(Lk 22,31-34)

31 Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen.
32 Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder.
33 Er aber sprach zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen. 34 Er aber sprach: Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst.

Auch eine Versuchungserzählung. Ausgerechnet Petrus. Der, der immer bereit ist, lautstark für seinen Glauben einzustehen. Selbstverständlich zu Jesus zu halten. Ausgerechnet ihm sagt Jesus: Du wirst leugnen, dass du mich überhaupt kennst. Und das sogar dreimal, also mit allem Nachdruck.

Gern flüchtet sich ins starke Wort das schwache Herz.

Petrus zeigt hier, wie man in der einen Stunde glaubensstark sein kann und in der nächsten ein durch und durch ängstlicher Mensch. Und Jesus sagt es ihm auch noch: Das Böse und der Schmerz sind schwere Anfechtungen für den Glauben.

Aber Petrus ist seiner sicher.

Glaubenssicherheit. Eigentlich ein Wort, dass so nicht gesagt werden kann.

Denn: Im Glauben gibt es keine Sicherheiten.

Es ist zu leicht, in einem freien Land, in einem gewissen Wohlstand und bei guter Gesundheit Gott zu loben. Auch wenn ich mir jetzt sicher sein sollte – bin ich es morgen auch?

Wird mein Glaube noch fest oder gewiss sein, wenn Gefahren drohen wie in anderen Ländern? Gehe ich noch zu Gottesdiensten, wenn die Polizei mich dabei beobachtet?
Ist Jesus noch mein Freund, wenn das meiner Karriere schadet?
Bekenne ich mich noch zu Gott, wenn meine Familie bedroht wird?

Uns fällt das Bekenntnis leicht, denn es hängt ja erstmal nichts daran. An Gott glauben und das auch sagen, hat für uns hier in Deutschland keine negativen Konsequenzen.

Für Petrus steht ein paar Stunden später sehr viel auf dem Spiel: vielleicht sein ganzes Leben.
Da zeigt sich sein schwaches Herze, das ein paar Stunden zuvor noch voller Selbstgewissheit war.

Und trotzdem: Dieser schwache Mensch, dieser sehr menschliche Mensch wird zum Gründer der christlichen Kirche. Wie Jesus es sagt: Du bist Petrus, auf diesem Felsen will ich meine Kirche bauen.

Und das heißt: Jesus erwartet von niemandem von uns etwas Unmenschliches. Er erwartet lediglich Menschlichkeit, Ehrlichkeit, das Stehen zu seinen Fehlern. Wir brauchen uns in Glaubensdingen nicht zu sicher sein, denn es gibt eines, das sicher bleibt:

Gott hat uns am Beginn unseres Lebens zugesagt, dass er da ist und unseren Weg mitgehen wird. Das ist die Sicherheit, die mich durch mein Leben tragen kann.

Gottesbeziehung ist die Überschrift über meinen Lebensweg. Und in dieser Beziehung muss ich nicht immer stark und sicher sein, sondern ich darf Fehler machen und ich darf auch scheitern.

Trotzdem und gerade deswegen gelten die Worte, die Jesus auch zu Petrus sagt: Er betet für uns, dass unser Glaube nicht aufhöre.

Darauf können wir uns verlassen.

Lieber Gott, bis jetzt geht’s mir gut. Ich habe noch nicht getratscht, noch nicht die Beherrschung verloren, war noch nicht muffelig, gehässig, egoistisch oder zügellos. Ich habe noch nicht gejammert, geklagt, geflucht oder Schokolade gegessen. Die Kreditkarte habe ich auch noch nicht belastet. Aber in etwa einer Minute werde ich aus dem Bett klettern und dann brauche ich wirklich deine Hilfe.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.