(Predigttext: Joh 12,44-50)

 

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde!

Das Jahr geht zu Ende, die Kerzen verglühn, doch das Licht leuchtet weiter in dir. Das Jahr geht zu Ende, die Kerzen verglühn, doch das Licht leuchtet weiter in dir.

Und strahlt dann am Abend noch einmal der Baum, dann leuchten die Augen so hell. Die Zukunft erwacht aus dem Dunkel der Nacht,

und die Träume verfliegen so schnell. Das Jahr geht zu Ende ...

Geschichte „Die drei sonderbaren Gaben“ (aus: Hoffsümmer, W., Das Wunder dieser Nacht):

Kaum hatten die drei vornehmen Gäste aus dem Morgenland, die gekommen waren anzubeten und dem Kind ihre Gabe zu bringen, auf höheren Befehl Bethlehem verlassen, nahten sich drei andere Gestalten. Sie kamen ohne Gefolge, unauffällig und unansehnlich. Ihr Gang war schleppend, mühsam setzten sie Schritt vor Schritt. Ihre müden Gesichter waren so sehr von Staub bedeckt, dass man ihre Farbe kaum erkennen konnte. Waren sie gelb, braun, schwarz oder weiß?

Der erste von ihnen ging in Lumpen einher und schaute hungrig und durstig umher. Hohle Augen, die zuviel Leid gesehen hatten, saßen in tiefen Höhlen. Der Zweite ging vornüber geneigt. Er trug an den Händen Ketten. Vom langen Tragen und von der weiten Reise war er wund gescheuert an Händen und Füßen. Der Dritte hatte wirre Haare, verzweifelte Augen und einen unsteten und suchenden Blick, als ob er nach etwas Verlorenem Ausschau hielte.

Die Leute, die um das Haus des Neugeborenen herumstanden, waren schon vielerlei Besucher gewohnt. Dennoch wichen sie scheu zurück, als sie diese drei Gestalten sich nahen sahen. Sie waren zwar selber lauter arme, unvermögende Leute – aber so elend und verwahrlost wie sie sah doch keiner von ihnen aus. Sie rückten scheu und unwillig zusammen und schienen beinahe einen Gürtel um das Haus zu legen, um die Drei am Eintritt zu hindern.

Auch sahen sie, dass sie nichts bei sich trugen, das sie als Gabe hätten abgeben können. Waren sie etwa gekommen, um etwas zu holen? Mancher dachte an das Gold, das von den eben Weggezogenen im Haus niedergelegt worden war. Jeder hatte davon erzählen hören. Hatten vielleicht auch diese etwas vom Gold vernommen? Immer stärkeres Gemurmel erhob sich gegen diese seltsamen Ankömmlinge.

Da wurde von innen die Türe geöffnet. Josef trat heraus. Einige riefen ihm empört zu, dass schlechtes Gesindel zum Kind kommen möchte, was er doch gewiss nicht zulassen könne. Er beschwichtigte sie und sprach: „Zu diesem Kind hat jedermann Zutritt – arm oder reich, elend oder vornehm, anständig oder verdächtig. Es gehört niemandem allein. Nicht einmal uns, seinen Eltern. Lasst sie herein!“

Verwundert über die Worte Josefs bahnte man den Dreien eine schmale Gasse. Er führte sie hinein. Die Türe blieb offen. Wer konnte, drängte sich hinzu, um die seltsame Begegnung mitzuerleben. Einigen wenigen wurde bewusst, dass sie vor kurzem ebenso armselig vor das Kind getreten waren.

Nun standen die Drei vor der Krippe und betrachteten lange und stumm das Kind. Bei diesem Anblick wusste keiner mehr, wer ärmer war: das Kind auf dem Strohlager oder seine Betrachter. Alle schienen in dieselbe Niedrigkeit eingetaucht und eingeschmolzen zu sein – der in den Lumpen, der mit der Kette, der mit dem traurigen Blick und das Kind.

Da brach Josef das Schweigen. Er fühlte, dass er der am reichsten Beschenkte war, und es drängte ihn, seinen großen Dank für das Empfangene nun auch diese Armseligen spüren zu lassen. In einer Nische der Wand neben der Krippe leuchteten die drei Gaben, welche die vornehmen Besucher hingelegt hatten. Er hob sie auf und streckte sie den Fremden entgegen: dem Zerlumpten das Gold, dem Gefesselten die Myrrhensalbe und dem Traurigen den Weihrauch. Und er sprach zum Ersten: „So wie ich es ansehe, bedarfst du am ehesten des Goldes. Kaufe dir damit Nahrung und Kleider. Ich habe einen Beruf und werde meine Familie auch ohne Gold ernähren können.“

Und zum Zweiten sprach er: „Ich kann dir zwar deine Ketten nicht abnehmen, aber siehe, diese Salbe wird deinen geschundenen Händen und Füßen wohl tun.“

Und zum Dritten sprach er: „Nimm diesen Weihrauch. Sein Wohlgeruch wird deine Trauer zwar nicht vertreiben, aber veredeln und deine Seele erquicken.“

Alles geriet in Bewegung. „Er verschenkt alles, was er an Kostbarem für das Kind erhalten hat!“, flüsterten sich alle zu und konnten angesichts der drei Elenden solche Sorglosigkeit fast nicht verstehen. Grenzte diese Verschwendung nicht an Beraubung des Kindes? Doch die Drei schüttelten einmütig Hände und Köpfe.

Der Erste antwortete: „Ich danke dir für dein großes Angebot. Aber sieh mich an! Wer bei mir Gold findet, wird mich sogleich als Dieb verdächtigen. Ich habe für andere Gold aus der Erde gegraben und es selber nie besessen. Behalte es für dein Kind. Du wirst es bald brauchen können und dir wird man es ohne Misstrauen abnehmen.“

Der Zweite antwortete: „Ich habe mich an meine Wunden gewöhnt. Ich bin an ihnen zäh und stark geworden. Behalte die Myrrhe für dein Kind. Wenn es geschundene Hände und Füße haben wird, kann sie ihm helfen.“

Der Dritte antwortete: „Ich komme aus der Welt der Religionen und Philosophien. Ich bin an ihnen irre geworden. Ich glaube nichts mehr. In der Wüste des Denkens habe ich Gott verloren. Was soll mir da der Weihrauch? Er würde nur meine Zweifel umnebeln. In seinem blauen religiösen Dunst würde er mir nur leere Bilder vorgaukeln. Aber er könnte mir Gott nicht ersetzen.“

Alle entsetzten sich über diese Worte und über die Rückweisung der Geschenke. Auch Maria und Josef bedeckten ihre Gesichter mit den Händen. Nur das Kind lag da mit offenen Augen. Die Drei traten ganz nahe zu ihm und sprachen: „Du bist nicht aus der Welt des Goldes, der Myrrhe und des Weihrauchs – so wenig wie wir. Du gehörst in unsere Welt der Not, der Plage und des Zweifels. Darum bringen wir dir dar, was uns und dir gemeinsam ist.“

Der Erste nahm einige seiner Lumpen und legte sie auf das Stroh. Und er sprach: „Nimm meine Lumpen. Du wirst sie einst tragen, wenn sie dir deine Kleider nehmen und du allein und nackt sein wirst. Gedenke dann meiner.“

Der Zweite nahm eine seiner Ketten und legte sie ihm neben die Hand. „Nimm meine Fesseln. Sie werden dir passen, wenn du älter sein wirst. Man wird sie dir einst umlegen, wenn man dich wegführt. Denke dann an mich.“

Der Dritte beugte sich tief über das Kind und sprach: „Nimm meinen Zweifel und meine Gottverlassenheit. Ich habe sonst nichts. Ich kann sie allein nicht tragen. Sie sind mir zu schwer. Teile sie mit mir. Nimm sie ganz in dich auf, schreie sie aus und trage sie vor Gott hin, wenn du so weit sein wirst.“

Tief erschrocken hielt Maria die Hände abwehrend über das Kind. Lautes Gemurmel drang durch das Haus und durch die Türe: „Jagt sie fort! Sie legen einen Fluch auf das Kind!“

Josef griff in die Krippe, um Lumpen und Fesseln von ihm wegzunehmen. Aber sie ließen sich nicht aufheben. Es war, als ob sie mit dem Kind verwachsen wären. Das Kind aber lag da mit offenen Augen und Ohren zu den drei Männern hingewendet.

Nach langem Schweigen erhoben sie sich. Sie streckten sich aus, als ob etwas Schweres von ihnen gefallen wäre. Sie hatten den Ort gefunden, wo sie ihre Last hatten niederlegen können. Sie wussten, dass bei diesem Kind alles in treuen Händen bewahrt und bis zuletzt durchgehalten würde: die Not, die Plage und die Gottverlassenheit. Mit zuversichtlichem Blick und festem Schritt traten sie aus dem Haus, hinaus in ihr begrenztes und mitgetragenes Elend.

Jesus Christus spricht: Ich bin in die Welt gekommen als ein Licht, damit, wer an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe.“

Wenn Jesus selbst zu uns spricht, will er keine jubelnde und schon gar keine schnelle Zustimmung, sondern eher meine Aufmerksamkeit, meine wachen Sinne und mein Nachdenken über mich und mein Leben.

Wie sehe ich mein Leben? Eher hell und freundlich im Umgang mit denen, die ich brauche und die mich brauchen?

Oder gibt es die eine oder andere dunkle Ecke, in die ich mal wieder blicken müsste, um sie aufzuräumen oder zu entstauben?

Mehr möchte Jesus nicht von mir. Jesus ist nicht nur das liebe Jesulein, das in der Krippe liegt und lächelt. Das ist er auch.

Aber Jesus wird dann ja erwachsen und erwartet etwas von mir. Weihnachten schaue ich ihn staunend an und danke Gott für die Gnade, sich mitten ins Leben zu begeben und am eigenen Leib zu spüren, wie anstrengend es oft ist zu leben.

Heute, ein paar Tage später, höre ich von Jesus, was es bedeuten kann, nicht in der Finsternis zu bleiben.

Es bedeutet, kurz gesagt: Dennoch lieben.

Sich nicht auf Gehässigkeiten einlassen, die Kleinkriege auf jeden Fall zu vermeiden und Lieblosigkeiten erst gar nicht entstehen zu lassen.

Liebe ist Licht gegen alle Finsternisse.

Geht Lebenswege, bittet Jesus, die aus der Finsternis führen. Ladet alles, was euch niederdrückt bei mir ab, und behaltet das Licht.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.