Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus.

Amen.

Liebe Gemeinde!

Der Mann, der da mitten in der Fußgängerzone steht, ist nicht groß, aber ich höre seine Stimme schon von weitem.
„Kehrt um zu Gott", ruft er über die Straße, „lasst ab von euren Sünden und kehrt um zu Gott."

Einige Leute sind stehen geblieben.
Die meisten schauen aber nur kurz zu ihm herüber und gehen weiter. Schnell. Abgehetzt. Genervte Gesichter.

Ich bleibe nur kurz stehen.
Den Inhalt seiner Predigt, den kenne ich schon. Ich habe ihn schon öfter dort gesehen.

Aber ich staune immer wieder über den Mut, den dieser Mann hat. Sich dort in die Öffentlichkeit zu stellen und zu predigen. Dass ihm das nicht peinlich ist?
Man gerät doch leicht in den Verdacht, ein religiöser Spinner zu sein.

Ich würde mir das nicht trauen. Für eine Predigt suche ich mir doch lieber eine Kirche aus. Oder einen anderen Ort, der mich und die Zuhörer schützt.

Dann schaue ich mir die Menschen an, die stehen geblieben sind. Was sind das für Menschen? Ist es wirkliches Interesse, was sie stehen bleiben lässt? Faszination? Oder eher der Spott über diesen Prediger?

Denn eigentlich will doch heute niemand solche deutlichen Worte hören. Und schon gar nicht in der Adventszeit, wo alles schön und besinnlich sein soll. Wo ich mich in Ruhe vorbereiten möchte auf das Kind in der Krippe.

Bereitet dem Herrn den Weg.

Das hat Johannes der Täufer damals getan. Er hat mit aller Deutlichkeit den Leuten gesagt, wo es nicht stimmt in ihrer Beziehung zu Gott und welche katastrophalen Folgen das für sie haben wird.

„Ihr Schlangenbrut", herrscht er die zu ihm Kommenden an, „wer hat denn euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet? Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße."

Und merkwürdigerweise sind die Menschen davon nicht abgeschreckt, sondern strömen in Scharen, trotz seiner harten Worte.
Es geht eine geheimnisvolle Anziehungskraft von diesem Mann aus.

Einsam lebt er in der Wüste. Ernährt sich von Heuschrecken und wildem Honig. Er trägt einen Mantel aus Kamelhaaren. Keine sympathische Erscheinung.

Er predigt dem Volk mit klaren, nicht unbedingt einfachen Worten: „Die Ankunft des Messias steht kurz bevor. Tut Buße! Macht euch bereit für sein Kommen!"

Johannes als Wegbereiter Jesu. Er ruft das Volk zur Umkehr von ihren gottlosen Wegen.

Das sind die Worte für den dritten Advent. Keine stimmungsvolle Adventspredigt im Kerzenschein. Das ist mit Johannes nicht zu machen.

Johannes sperrt sich gegen mein weihnachtliches Harmoniebedürfnis. Er ist ein unbequemer Geselle.
In unsere weihnachtliche Geschäftigkeit hinein erhebt er seine Stimme: „Bereitet den Weg des Herrn! Erwartet das Kommen des Christus und richtet euer Leben danach aus."

Worauf bereiten wir uns vor? Was erwarten wir von Weihnachten?

Ich habe diese Frage mal im Konfirmandenunterricht gestellt.

Da kamen dann die Antworten: Geschenke an erster Stelle, einen Weihnachtsbaum, die Familie zusammen, Festessen.

Natürlich gehört das alles dazu, aber die Hauptsache an Weihnachten wird doch mehr und mehr überdeckt.

Mitten in unsere weihnachtliche Stimmung hinein trifft hier die Botschaft des Johannes und stellt uns in Frage.

Richten wir unser Leben wirklich nach der Weihnachtsbotschaft aus?
Hat das Kommen Gottes in diese Welt überhaupt noch praktische Konsequenzen für unseren Lebensalltag?
Wo müssten wir Ordnung machen in unserem Leben?

Denn das ist Wegbereitung ja auch: Aufräumen und das aus dem Weg schaffen, was die Ankunft Jesu bei uns stören könnte.

Und aufräumen, das ist anstrengend. Im Kleinen wie im Großen.
Denn: wer lässt sich schon gerne auf die dunklen und schmutzigen Stellen seines Lebens ansprechen?

Und ich denke, deswegen brauchen wir diesen Johannes in der Adventszeit. Den Bußprediger, der sich uns in den Weg stellt, der daran erinnert, dass das Aufräumen vor Weihnachten wichtig ist.

Jeder von uns kennt die unaufgeräumten Keller und die verstaubten Dachböden im eigenen Herzen. Vielleicht ist da eine Schuld, die ich seit Jahren mit mir herumtrage, die mich nicht zur Ruhe kommen lässt. Vielleicht ist da die Unfähigkeit zur Vergebung, die so dringend nötig wäre.

Hier mahnt mich der Johannes, das Aufräumen nicht zu vergessen.
In meinem Leben ist immer mal wieder Großputz angesagt.

Johannes konfrontiert uns schonungslos mit der Wahrheit. Er sagt nicht: „Ihr könnt so bleiben wie ihr seid. Irgendwie kommt ihr schon durch." Nein, unmissverständlich fordert er uns auf: „Ändert euch! Kehrt um zu Gott!"

So will er uns bereit machen für das Kommen Gottes. So dass ich bitten kann: „Komm in mein Leben, Gott, und verändere mich."

Diese Umkehr meines Herzens zu Gott ist die wahre Vorbereitung auf das Kommen seines Sohnes. Wo ich von ganzem Herzen sage: „Herr, ich brauche dich!", da wird Gott mich nicht enttäuschen.

Vielleicht ergeht es uns dann ja so, wie jenem Mann, der erfuhr, dass Gott zu ihm kommen wollte.
„Zu mir?", schrie er. „In mein Haus?"

Er rannte durch alle Zimmer, er lief die Stiegen auf und ab, er kletterte zum Dachboden hinaus, er stieg in den Keller hinunter.

Er sah sein Haus mit anderen Augen.

„Unmöglich!", schrie er. „In diesem Sauhaufen kann man keinen Besuch empfangen. Alles verdreckt. Alles voller Gerümpel. Kein Platz zum Ausruhen. Keine Luft zum Atmen."

„Brüder! Freunde!", rief er. „Helft mir aufräumen – irgendeiner! Aber schnell!"

Er begann, sein Haus zu kehren. Durch dicke Staubwolken sah er, dass ihm einer zu Hilfe gekommen war. Sie schleppten das Gerümpel vors Haus, schlugen es klein und verbrannten es. Sie schrubbten Stiegen und Böden. Sie brauchten viele Kübel Wasser, um die Fenster zu putzen.
Und immer noch klebte der Dreck an allen Ecken und Enden.

„Das schaffen wir nie!", schnaufte der Mann.
„Das schaffen wir!", sagte der andere.

Sie plagten sich den ganzen Tag. Als es Abend geworden war, gingen sie in die Küche und deckten den Tisch.
„So", sagte der Mann, „jetzt kann er kommen, mein Besuch! Jetzt kann Gott kommen. Wo er nur bleibt?"
„Aber ich bin ja da!", sagte der andere und setzte sich an den Tisch.
„Komm und iss mit mir!"

Gott kommt nicht erst dann zu mir, wenn ich alles blitzeblank geputzt habe.
Unerkannt steht er längst schon neben mir.

Gott hilft mir, Ordnung in mein Lebenshaus zu bringen. Er ist bei uns und zeigt immer wieder auf die Dinge, die in unserem Leben nicht stimmen. Und er hilft dabei, sie in Ordnung zu bringen.

Und darum ist das auch keine Überforderung, wenn wir das in dieser Adventszeit hören: Bereitet dem Herrn den Weg.
Es ist lediglich eine Erinnerung daran, die Zeit zu nutzen, mal wieder Ordnung zu machen, um dann unbelastet das Weihnachtsfest feiern zu können.

Natürlich mit einem Weihnachtsbaum und natürlich mit Geschenken, aber dann auch mit dem Blick auf das Kind in der Krippe und der Weihnachtsfreude, die alle Jahre wieder ganz neu zu mir kommt.

Möge diese Freude Ihre Herzen erfüllen.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.