(Predigttext: Joh 11,47-53)

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde!

Wenn wir ihn machen lassen, glauben die Menschen womöglich noch an ihn. Dann wird sich alles verändern. Unsere Macht ist dahin. Wir haben nichts mehr zu sagen, verlieren unseren Rückhalt bei den Menschen. Nein, so geht das nicht.
„Es ist besser für euch, ein Mensch sterbe für das Volk, als dass das ganze Volk verderbe.“

So beschließen die Pharisäer, die Schriftgelehrten in Israel, dass Jesus sterben müsse.

Was steckt hinter diesem Tötungsbeschluss? Warum soll dieser harmlose Wanderprediger getötet werden?

Seit dieser Jesus aufgetaucht ist, haben die Schriftgelehrten ein Problem. Kaum jemand will noch ihre Predigten hören. Wenn Jesus dagegen in ein Dorf kommt oder auf einen Berg steigt, laufen alle Menschen zu ihm. Alle wollen hören, was er zu sagen hat, wollen in seiner Nähe sein.

Jesus fasziniert in die Menschen. Das, was er zu sagen hat, seine Botschaft, ist attraktiv, mitreißend. Weil sie so ganz anders ist. Da geht es nicht mehr um das strikte Befolgen der alttestamentlichen Gebote. Da geht es um Liebe. Jesus sagt: Liebt eure Mitmenschen. Und das ist bei ihm ganz authentisch, denn er selbst tut genau das. Er lebt die Liebe zu den Menschen. Er wendet sich jedem Menschen vorbehaltlos zu. Oft gerade denjenigen, mit denen sonst niemand etwas zu tun haben will.

Und Jesus hat eine unbeschreibliche Ausstrahlung. Menschen, die ihm begegnet sind, leben ganz anders weiter. Das kann so radikal sein, wie bei dem Zöllner Zachäus, der alles Geld, was er unrechtmäßig genommen hat, vielfach zurückgibt. Auf jeden Fall verändert Begegnung mit Jesus. Da entsteht eine Bewegung von Begeisterten. Jesus steckt an. Wer gehört hat, was er zu sagen hat, wer ihm begegnet ist, gibt die Botschaft weiter, lebt sein Leben anders weiter. Macht auf einmal den Mund auf, wo er vorher geschwiegen hätte.

Was wird aus den Traditionen? Was wird aus der Rede der Schriftgelehrten? Aus dem, was bisher unhinterfragt so hingenommen wurde? Es war doch alles gut. Und jetzt kommt dieser Jesus und bringt alles durcheinander. Und die Menschen, die mit ihm gehen, entsprechen auch nicht gerade dem Idealbild eines frommen Juden.

Vorher haben wir die doch auch nicht gesehen und jetzt auf einmal lassen sie sich bewegen? Sind auch noch begeistert von dieser neuen Verkündigung? Manche lassen sogar alles hinter sich, nur um bei Jesus zu sein? So werden wahrscheinlich die Schriftgelehrten gedacht haben.

Auf einmal ist alles anders. Veränderung. Veränderung, die Angst macht.

Und so wussten sich die Schriftgelehrten nicht mehr anders zu helfen. Diese neue Bewegung muss aufgehalten werden. „Es ist besser für euch, ein Mensch sterbe für das Volk, als dass das ganze Volk verderbe.“

So beschreibt der Evangelist Johannes den Entschluss zur Tötung Jesu.

Nur: Da konnte nichts mehr aufgehalten werden. Wir wissen, wie die Geschichte weitergeht. Jesus wurde getötet, ja. Er ist am Kreuz gestorben. Doch das war nicht das Ende der Begeisterung, der neuen Bewegung. Im Gegenteil: Das war der Anfang etwas viel Größeren, nun wirklich radikal Neuem: Die Liebe, die über den Tod siegt. Hoffnung, die seitdem mit jedem Leben verbunden ist.

Wenn das Samenkorn des Glaubens einmal gelegt ist, einmal erspürt wurde, was es heißt, aus der Liebe Gottes heraus zu leben, kann da nichts mehr aufgehalten werden. Da wächst Hoffnung, die trägt. Da strahlt Begeisterung aus.

Bis heute.

Denn wir erleben ja immer wieder, dass der christliche Glaube tragfähig ist. Das es gerade dann weitergehen kann, wenn wir meinen, nichts mehr aus eigener Kraft bewegen zu können.

Gerade dann kann etwas aufwachsen, wo wir es gar nicht vermutet haben. Zündet auf einmal ein Funke, der lange im Verborgenen glühte. Bewegt und verändert sich etwas.

Im letzten Jahr hier in unserer Kirchengemeinde: Keine Kirchenvorstandswahl möglich. Nur noch wenige waren bereit, sich überhaupt zu engagieren.

Heute: Wahl eines neuen Kirchenvorstandes. Acht Mitmenschen haben sich bereit erklärt zu kandidieren. Aus der Motivation heraus: Unsere Kirchengemeinde muss selbständig bleiben. Es kann nicht sein, dass es hier nicht weitergeht. Uns ist wichtig, dass die Kirche im Dorf bleibt, denn wir leben hier und wollen kirchliches Leben, wollen, dass unsere Kinder genauso selbstverständlich in den Glauben hineinwachsen können, wie wir das konnten.

Auf einmal: Ganz viel neuer Schwung und neue Energie. Die Lust und der Mut etwas zu bewegen und zu verändern. Auch gegen Widerstände.

Und ich denke: Da hat Gott selbst etwas bewegt. Da war das Wirken des Heiligen Geistes ganz unmittelbar spürbar, der neu begeistert hat.

Nun wird sich etwas verändern und ich bitte Sie, liebe Gemeinde, sehr darum, diesen Veränderungen mit Offenheit zu begegnen. Was in unserer Gemeinde jetzt neu gesät wird, dessen Früchte können wir jetzt noch nicht erkennen.

Jetzt ist erstmal Unterstützung wichtig. Denn wir brauchen nicht nur unsere Kandidatinnen und Kandidaten für den Kirchenvorstand. Wir brauchen Sie und Euch alle hier. Wir alle sind Glieder am Leib Christi, sind in der christlichen Gemeinde wichtig mit dem, was wir sind und wie wir sind.

Da braucht es jede und jeden mit seinen eigenen Gaben und Begabungen und jede und jeder hat in unserer Kirchengemeinde seinen Platz. Das ist ja das so wichtig an der christlichen Gemeinde: Niemand wird ausgeschlossen. Ein jeder kann kommen, für jeden machen wir die Türen auf.

Da braucht es die, die anpacken können, ganz praktisch Dinge erledigen. Die, die einen besonderen Draht zu den Jugendlichen in unserer Gemeinde haben. Die, die sich gerne um alte Menschen kümmern. Die, die Spaß daran haben, Gottesdienste mitzugestalten und auch die Denker im Hintergrund, die sich in Verwaltungsdingen auskennen. Genauso die älteren Mitmenschen, die den jungen mit Rat und Tat zur Seite stehen können und wollen. Und noch viele mehr.

Auch die, die einfach nur da sind, sind für unsere Gemeinde wichtig und wertvoll.

Wichtig ist: Unsere Gemeinde ist lebendig. Was jetzt neu gesät wird, wo ganz kleine Samen gesetzt werden, da werden wir in den nächsten Jahren die Früchte ernten können.

Natürlich braucht das manchmal auch Geduld, geht eben nicht von heute auf morgen – wie das bei einem Weizenfeld ja auch ist, doch irgendwann werden die Früchte kommen, wenn wir dran bleiben und nicht nur den Samen legen, sondern das Feld auch hegen und pflegen.

Dann wird es immer wieder gute Frucht bringen. Werden wir die Früchte unserer Arbeit sehen und in unserem Engagement bestärkt.

Da bleibt dann zwar nicht alles so, wie es schon immer war, aber so ist christliche Gemeinde auch nicht. So hat Jesus selbst seine Botschaft nicht gelebt. Sondern: Die frohe Botschaft, die Botschaft Jesu, das war von Anfang an etwas radikal Neues.

Wenn das Samenkorn des Glaubens einmal gelegt ist, einmal erspürt wurde, was es heißt, aus der Liebe Gottes heraus zu leben, kann da nichts mehr aufgehalten werden. Da wächst Hoffnung, die trägt. Da strahlt Begeisterung aus.

Ich wünsche uns, dass diese Begeisterung und diese Verbundenheit mit unserer Kirchengemeinde uns durch die kommenden fünf Jahre tragen und dass Sie, die Sie heute gewählt werden, motiviert und engagiert dabei bleiben, getragen von der Unterstützung und dem Gebet der ganzen Gemeinde.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.